Baden-Württemberg ist seit Jahrzehnten schon führend bei der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken für den SPNV. Daher war die in der Reaktivierung befindliche Hermann-Hesse-Bahn zwischen Weil der Stadt und Calw am 11.11. das Ziel der diesjährigen Studienfahrt unseres Fördervereins.

Bis 2025 soll auf der Strecke wieder ein moderner, umweltfreundlicher SPNV aufgenommen werden. Von Calw aus wird dann Stuttgart in nur noch 60 Minuten erreichbar sein! Wie das alles aussehen soll, zeigte uns Kai Kübler vom Landratsamt Calw an ausgewählten Abschnitten der 18 km langen Strecke. Über 80 Millionen werden dort in die Hand genommen, um die stillgelegte Trasse wieder in Betrieb zu nehmen.

Im Vergleich zur Reaktivierung der Mainschleifenbahn ein wirklich gewaltiges Projekt: auf der gesamten Strecke wird der Oberbau (also Schotter, Schwellen und Schienen) erneuert, ein 1,8 km langer zweigleisiger Abschnitt für Zugkreuzungen wird sogar neu errichtet, ebenso mehrere Bahn- und Straßenbrücken, dazu die signaltechnische Anbindung der Reaktivierungsstrecke an das DB-Netz in Weil der Stadt.

Einer der größten und teuersten Brocken ist der Neubau eines 499 m langen Tunnels bei Ostelsheim (samt 820 m echter Neubaustrecke) den wir auch begehen konnten – für viele von uns der Höhepunkt der Exkursion, auch wenn dabei die Schuhe schmutzig wurden. Zu diesem neuen Tunnel kommen bei der Hermann-Hesse-Bahn noch millionenteuere Fledermaus-Schutzröhren in zwei Bestandstunnels, komplizierte Hangsicherungsmaßnahmen und der aufwändige Bau eines neuen Bahnsteigs samt Aufzug im „neuen Bahnhof“ von Calw. Mehr dazu findet sich unter Hermann-Hesse-Bahn.de.

Viele von uns kamen aus dem Staunen nicht heraus: „Das alles für etwas über 80 Millionen Euro – und unsere mickrigen 10 Kilometer Bestandstrecke sollen dann 30 Millionen kosten? Da kann doch etwas nicht stimmen!“. Tatsächlich lässt sich die Differenz für uns nicht klären. Aber immerhin hat der Landkreis Calw für die Reaktivierung 2,8 besetzte Stellen im Personalplan und die Bauoberleitung und Bauüberwachung liegen mit der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft AVG in den Händen echter Bahnprofis. 

Am Nachmittag stand schließlich noch ein Besuch im historischen Stellwerk 1 und Museum der „Würtembergischen Schwarzwaldbahn Calw“ (wsb-calw.de) auf unserem Programm. Ebenso wie wir derzeit mit unserer Volkacher Strecke hatte dieser Verein jahrelang die Inbetriebnahme der Hermann Hesse Bahn unterstützt -auch aktiv mit umfangreichen Freischnittarbeiten. Faszinierend für unsere digital geprägten Generation war schließlich der Besuch auf dem funktionsfähig renovierten Stellwerk 1. An scheinbar völlig „veralteter“ aber klug durchdachter Mechanik aus dem vorletzten Jahrhundert erklärten die Calwer Eisenbahnfreunde, wie „früher“ ohne Elektronik oder Computer der alltägliche Eisenbahnbetrieb möglich gewesen war – störungs- und unfallfrei, dafür aber personalintensiv und zuverlässig. 

Fazit: wieder eine hochinteressante Studienfahrt!