„In letzter Minute – wenn nicht schon zu spät – will eine Interessengemeinschaft von Eisenbahnfreunden aus Volkach und Kitzingen um den Erhalt der Eisenbahnlinie Seligenstadt.Volkach – kämpfen“. So begann ein Artikel in der damaligen Neuen Volkacher Zeitung, der die Versammlung auf der Hallburg ankündigte. Als sich die Aktivisten am 24. Mai 1994 trafen, standen die Signale tatsächlich nicht gut: am 17. Mai hatte die Bahn angekündigt, den Bahnverkehr Richtung Volkach zum 29.5.1994 endgültig einzustellen und dann mit dem Abbau der Schienen zu beginnen.
Für die Rettung der Strecke hatten die Initiatoren der Aktion Gerhard Bauer (Eisenbahnfreunde Kitzingen), Peter Hartmann (Wirt auf der Hallburg) und Dr. Wolfgang Schramm (Sommerach) zusammen mit dem Verkehrsverein Volkach bereits ein erstes Konzept erarbeitet. „Privatisierung zur touristischen Nutzung und als Option für einen bei steigenden Benzin- und Unterhaltungskosten eventuell auch wieder interessanten öffentlichen Personen-Nahverkehr“– so stand damals in der NVZ. Diese Punkte waren schließlich die Basis für die Gründung der Interessengemeinschaft Mainschleifenbahn, kurz IGM. Später wurde daraus der heutige Förderverein Mainschleifenbahn e.V.
Schnell waren sich alle einig, dass Volkach nochmals die Initiative zur Rettung der Strecke übernehmen müsse. Reinhold Reichl, als zweiter Bürgermeister amtierender Urlaubsvertreter des 1. Bürgermeisters Schlier, erklärte sich nach längerer Diskussion bereit, dass die Stadt „als allein handlungsfähige Einrichtung nochmals initiativ werde(n)“ müsse. Bereits am nächsten Morgen verfasste er einen Brandbrief an das Bayerische Verkehrsministerium und alle Abgeordneten der Region.
Das Echo auf die Initiative war zunächst verhalten. Untereisenheim und Prosselsheim befürworteten einen Radweg, der Volkacher Stadtrat und der Landkreis Kitzingen sahen keine Möglichkeit die Bahnstrecke zu erhalten. Anfang August kündigte die DB an, im November die Gleise abbauen zu wollen. Kommentar eines örtlichen Mandatsträgers: „Wer glaubt, den Erhalt der Bahnstrecke finanzieren zu können, der soll die Initiative ergreifen“. Wir können ihn uns nicht leisten.
Ungeachtet dessen setzten sich die Bundestagsabgeordneten Michael Glos (CSU) und Frank Hofmann (SPD) sowie die Landtagsabgeordneten Karin Radermacher (SPD), Franz Brosch (CSU) und Volker Hartenstein (Die Grünen) auf ihren jeweiligen Ebenen für den Erhalt der Bahn nach Volkach ein. Zwischenzeitlich erarbeitete das Würzburger Ingenieurbüro SEIB zusammen mit den Eisenbahnfreunden und einem Berliner Büro eine detaillierte Bestandsaufnahme samt Potentialanalyse und Kostenschätzung. Fazit: der Wiederaufbau nach damaligem SPNV-Standard einschließlich neuer Anschlussweiche bis Volkach Bahnhof würde ca. 4 Mio. DM betragen, die mögliche Fahrzeit bis Würzburg 25 Minuten. Damit lagen endlich Fakten auf dem Tisch. Auf den vereinten politischen Druck der Abgeordneten hin, verzichtete die DB im Juli 1995 auf den Abriss der Gleisanlagen. Ein erster, wichtiger Meilenstein war erreicht. Wenig später verkündete Bayerns damaliger Verkehrsminister Dr. Otto Wiesheu, dass man überlege die Strecke als Pilotprojekt für einen privatisierten SPNV zu reaktivieren.
Für jedermann sichtbar wurden die Möglichkeiten eines modernen SPNV am 1. Juni 1996. Der IGM war es in Zusammenarbeit mit der WVV, SEIB und dem Fahrzeughersteller Talbot gelungen, für einen Tag Pendelfahrten von Volkach bis zum Würzburger Hauptbahnhof anzubieten. Das Echo in der Bevölkerung war überwältigend, doch am Aschermittwoch 1998 verkündete Minister Wiesheu das Aus für alle damals geplanten Reaktivierungen in Bayern. Eine bereits beauftragte intensive Untersuchung der alten Mainbrücke wurde abgebrochen.
Nach einer Reihe von weiteren Rückschlägen (u.a. Ausbau der Abzweigweiche, offizielle Streckenstillegung, Aufgabe des Stadtbahnhofs ) erklärte sich Bayerns Verkehrsministerium im Sommer 1999 aber bereit, einen Arbeitskreis zum Erhalt der Volkacher Strecke zu initiieren. Der erarbeitete schließlich ein Stufenkonzept, das vom Erhalt der Gleise über einen privaten Tourismusverkehr bis zur Wiederaufnahme des SPNV führen sollte. Mit 500.000 DM Zuschüssen, davon die Hälfte vom Landkreis Kitzingen, begann im Sommer 2001 schließlich der Wiederaufbau der Strecke durch den neu gegründeten Förderverein Mainschleifenbahn. Dazu hatte dieser sogar ein eigenes Eisenbahn-Infrastruktur-Unternehmen gründen müssen. 4.200 ehrenamtliche Arbeitsstunden und einige, an Gleis- und Tiefbaufirmen fremdvergebene Arbeitstage später, war die Volkacher Strecke wieder eine „richtige“ Eisenbahn, zugelassen für den öffentlichen Verkehr, ohne jede Beschränkung, mit einer Betriebsgenehmigung bis 2052. „Das haben einige bis 2023 nicht kapiert“ erinnert sich Dr. Wolfgang Schramm, einer der Männer der ersten Stunde und langjähriger örtlicher Bahnbetriebsleiter. „Landrätin Bischof musste sogar die alte Geschäftsleitung der inzwischen für die Reaktivierung gegründeten, kommunalen Infrastrukturgesellschaft MIG zur Bahnaufsicht nach Ansbach schicken, bis die Herren das endlich verstanden hatten“. Seither ist Schramm zuversichtlicher, dass die Reaktiverung unter der Regie der Kreise gelingen wird – auch wenn das wegen inzwischen überwundener, organisatorischer Verspätungen voraussichtlich noch bis Ende 2028 dauern wird.
Bis dahin wird Volkacher Strecke wohl weiterhin vom Förderverein unterhalten – finanziert durch dessen Schienenbusfahrten und gelegentliche Zuschüsse. Von dem bisherigen Tourismusverkehr profitieren übrigens nicht nur die Fahrgäste, sondern auch die heimische Wirtschaft. Zwischen 400.000 und 600.000 Euro Mehrumsatz bringt die Tourismusbahn pro Jahr in die Region – so eine Untersuchung, die an der Uni Würzburg entstanden war.
Dass heute zwischen Seligenstadt und Volkach überhaupt noch Schienen liegen, hängt nicht aber nur an dem langen und ausdauernden Engagement der ehrenamtlichen Eisenbahner , sondern auch an der Versammlung vom 24. Mai 1994 und an dem Brief, den der damaligen „Vize“-Bürgermeister Reichl an das Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr geschrieben hatte.
Ende des Jahres 2000 – Impressionen entlang der damals stillgelegten Volkacher Bahnstrecke (Gleiskörper vor Astheim und unterhalb der Vogelsburg, Fahrraddraisine am Bf. Untereisenheim)