Geradezu zu einem „Muss“ hat sich in den letzten Jahren das Reaktivierungstreffen des VCD gemausert. Neben dem persönlichen Erfahrungsaustausch der „Macher“ waren es heuer einige der Referenten, die wertvolle Einblicke lieferten. Wie ein roter Faden zog sich die fehlende finanzielle Unterstützung von NE-Infrastruktur durch den Freistaat durch die Veranstaltung, gefolgt von der Diskussion um das 1.000 Rkm-Kriterium für Reaktivierungen.

Ministerialrat Stefan Schell (Leiter des Referats 55 Bahnpolitik und Schienenpersonenverkehr im BStMB) hatte sich – so seine eigenen Worte – „in die Höhle des Löwen“ gewagt und referierte ausführlich über die Historie, Sachstand und Weiterentwicklung von Reaktivierungsprojekten in Bayern. Was die finanzielle Förderung von Infrastrukturmaßnahmen durch den Freistaat betrifft, wollte er unter Verweis auf die GVFG-Bundesförderung keine Hoffnungen wecken. Allerdings wies er darauf hin, dass zumindest Ersatzinvestitionen bei NE-Bahnen im Einzelfall förderfähig wären, so im Rahmen des (inzwischen leider abgeschlossenen) RZCIPNE-Corona-Förderprogramms oder Netzeinbindungsmaßnahmen bei DB InfraGO mit Bundesmitteln.

Bei „Projekt-Ausblick Bayern“ mit Strecken, die mindestens das 1.000er Kriterium erfüllen, gehörte die Mainschleifenbahn zu den vier, derzeit aussichtsreichsten Projekten. Die anderen sind Gunzenhausen-Wassertrüdingen (Nördliche Hesselberg-Bahn, alle vier Kriterien erfüllt, Inbetriebnahme 12/2024), Gessertshausen-Langenneufnach (Nördliche Staudenbahn, Inbetriebnahme 12/2026) und Dombühl-Dinkelsbühl-Wilburgstetten, Inbetriebnahme 12/2027) – vorausgesetzt alle fehlenden Reaktivierungskriterien werden (noch) erfüllt: 1.000 Rkm, Ertüchtigung ohne Mittel des Freistaats, EIU für dauerhaften Betrieb sowie angepasstes Buskonzept).

Prof. Dr. J. Klühspieß (TH Deggendorf) präsentierte die Ergebnisse einer Studie, die u.a. die PR-Arbeit von Bahninitiativen betrifft. Für eine erfolgreiche Kommunikation nach außen sei es wichtig, sich in Gesprächen, Flyern etc. einheitlich auf drei wesentliche Argumente „pro Bahn“ zu beschränken. Ein „Zuviel“ würde nicht wahrgenommen werden.

Dr. F.-M. Ludwig (Chiemgauer Lokalbahn) und Prof. Dr. Th. Schrempf (Ilztalbahn) klagten eher über ein „Zuwenig“ an Förderung für Bayerns NE-Bahnen. Zwar würden diese 1/10 aller Eisenbahnstrecken in Bayern betreiben, Förderungen für Ersatz oder Unterhalt durch den Freistaat wären aber nicht vorgesehen. Das Corona-Hilfsprogramm (RCZIPNE) sei aber zumindest eine positive und von einigen Bahnen gerne genutzte Ausnahme gewesen. Bestellungen von Tourismusverkehren zum indirekten Unterhalt von NE-Bahnen wäre von BEG und Wirtschaftsministerium abgelehnt worden. Die Zuständigkeit dafür liegt inzwischen im Landwirtschaftsministerium.

Das Positionspapier bayerischer Schieneninfrastrukturbetreiber und Touristikbahnen wird fortgeschrieben, auch unter dem Hinweis, dass 10% des bayerischen Schienennetzes von NE-Bahnen betrieben werden. Im Gegensatz zu ihnen erhält die DBInfraGO erhebliche Leistungen auf Basis der LuFV und des BSWAG. Gefordert wird daher ein „Landeseisenbahnfinanzierungsgesetz“ mit Fördersätzen von z.B. 1.000 € / Streckenkilometer – analog zu Baden-Württemberg das seinen NE-Bahn bis zu 20 Mio € / Jahr zur Verfügung stellt. –

Paul Schiele (Abteilungsleiter Infrastruktur der Stadtwerke Ulm – SWU) schilderte nochmals die Reaktivierung der Strecke Senden – Weißenhorn (2011-2013): professionell, sparsam und ohne Goldrandlösungen! Auch die Grunderneuerung 2023 wäre so angepackt worden. Innerhalb von 6 Wochen wurden 14.400 Meter verschlissener Schienen und Schwellen (z.T. bis zu 130 Jahre alt) ersetzt, dazu 10 km Kabel umgebaut. Von den Kosten in Höhe von ca. 5 Mio. € förderte der Freistaat im Rahmen des RCZIPNE-Programms 3,7 Mio. Die Fahrgastnachfrage habe Ende 2023 die 2.000 erreicht, man fahre in den HVZ nun im Halbstundentakt. Die Entwurfsplanung für die Elektrifizierung der Strecke wäre in Arbeit, eine Inbetriebnahme sei von Seiten der SWU Ende 2028 möglich.

Auch die Reaktivierung und Elektifizierung der 13 km langen, nördlichen Staudenbahn liege derzeit in den Händen der SWU. Im Winter 2024/25 solle die Planfeststellung eingereicht werden, bis 2027 solle alles abgeschlossen sein, u.a. Elektifizierung, Ertüchtigung der Strecke auf 140 km/h, technische Sicherung aller Bü, Bau von sechs Stationen/Bahnhöfen, Erneuerung von zwei Brücken, Einrichtung neuester Leit- und Signaltechnik bis zur Einrichtung eines Stumpfgleises in Reitenbuch für den Streckenunterhalt.

Schnell wurde wieder einmal klar, was einen kompetenten Infrastrukturdienstleister im Bahnbereich auszeichnet. Leider sind nicht bei allen Reaktivierungsprojekten derart leistungsfähige Büros eingekauft worden.

Interessant auch: der DB-Vorstand habe entschieden keine Strecken mehr zu verkaufen, wenn eine Reaktivierung möglich ist. Der Konzern wolle solche Projekte dann lieber selbst umsetzten – so Schiele.

Andreas Braun (Geschäftsführer und Betriebsleiter der Bayernbahn) erinnerte an die privaten Bemühungen zum Erhalt der Eisenbahninfrastruktur im Ries. Ohne einen Ende der 1980er Jahre geschlossenen Pachtvertrag zwischen BEM und DB wären die Strecken Nördlingen -Dombühl und Nördlingen – Gunzenhausen längst abgebaut (wer denkt da nicht an die Mainschleifenbahn? Ohne Pachtvertrag? Vielleicht nicht einmal ein Radweg)!

Wie alle NE-Bahnbetreiber kämpft Braun seit 40 Jahren aber auch mit dem Streckenunterhalt. Fehlende öffentliche Zuschüsse für den Unterhalt von Gleisanlagen und Bahnübergängen könnten langfristig nicht durch die Trasseneinnahmen von Museums- und gelegentlichen Güterzügen ausgeglichen werden. Daher fordert auch er ein bayerisches NE-Infrastruktur-Förderungs-Gesetz.

Heino Seeger (Geschäftsführer und EBL der Mittelfränkischen Eisenbahnbetriebsgesellschaft MEBG) erinnerte an die, bei der Diskussion von Reaktivierungen besonders behördenseitig oft vergessene Tatsache: „Schiene, Schwelle, Schotter – müssen erst mal da sein!“. In seinem Fall (Reaktivierung Dombühl-Nördlingen) war es das Bayerische Eisenbahn Museum (BEM) gewesen, das den Abbau der Strecke verhindert hatte.

Bei der Reaktivierung der gut 30 km Strecke zwischen Wilburgstetten und Dombühl gilt für ihn der Grundsatz „Nur erneuern, was unbedingt nötig ist!“. Goldrandlösungen sieht Seeger in der Anfangsphase nicht. Kritisch äußerte er sich auch zu der einen oder anderen Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU). In einem Fall habe diese nur 0,9 statt 1,0 erreicht. „Und warum? Bei der Bahn haben sie mit Dieselzügen gerechnet, auf der Straße nur mit E-Autos!“.

Fazit:

  • Reaktivierung müssen – spätestens wenn es an die Umsetzung geht – professionell, fachkundig und mit solidem finanziellen Rückhalt angepackt werden.
  • NE-Bahnen können auf Dauer nicht allein durch Gelegenheits- oder Touristikverkehre erhalten werden. Staatliche Förderung ist spätestens dann erforderlich, wenn große Investitionen anstehen, z.B. nach Unwetterschäden.
  • Neben der 1.000er Schwelle sind bei Reaktivierungen auch die Finanzierung der Infrastruktur ohne Hilfe des Freistaats und das Fehlen eines leistungsfähigen EIU vor Ort „Stolpersteine“.

2025 will der VCD das nächste Treffen der bayerischen Bahnreaktivierungs-Initiativen in Hof veranstalten.